Ich komme mir vor wie Jeremia, der klagte: „Du hast mich �berwunden und ich habe mich �berwinden lassen . . .“. Ich meinte, Leute meiner Generation h�tten hier nichts mehr zu sagen. Aber – wer kann Regina widerstehen? – Und nun bin ich dabei einen faux pas zu machen. Ich habe ein Thema, das nicht zeitgem�� ist, �ber das man nicht sprechen sollte und in dessen Zentrum ein anr�chiges, fast unanst�ndiges, eigentlich unaussprechbares Wort steht. Statt es in eigene Worte zu fassen lese ich einen Vers aus Jes 12:
„Ich danke dir, HERR, dass du zornig �ber mich gewesen bist und dein Zorn sich gewendet hat und du mich tr�stest.“ Jes 12,2
„Zorn Gottes“, ein „Gott der z�rnt“, und wenn wir das sagen, dann sprechen wir von Gott dem Richter – darf man das sa-gen bzw. darf es den geben? Seit mehr als 25 Jahren begleitet mich diese Frage.
a) Jes. 12, ist ein vorgeschriebener Predigttext in der EKiD und in der Wttg. Landeskirche. Als das Mitte der 80er Jahre dran war, erhob sich in unserem Berufsblatt �ber Monate ein Sturm der Entr�stung, wie man �ber so einen Text predigen k�nne. Das m�sse aufh�ren.
b) Jesus House in Freiburg. Ein Evangelist vom Janzteam wagte es, das Unaussprechliche auszusprechen. Nicht ganz geschickt, aber sei‘s darum. Ein Sturm der Entr�stung in der Lokalpresse. Innerhalb von 24 Stunden war der Evangelist von der Allianz ausgeladen und gefeuert. Die Nachgefechte fanden in IDEA statt – mit einem be-achtenswerten 2-Seiten Beitrag von U. Parzani und we-niger beachtenswerten Leserbriefen danach.
c) JuMiKo. Ulrich Weinhold, zust�ndig f�r Organisation, bat mich zum Thema sprechen: Der Gott des AT – zornig und gerecht – und die V�lker. Wo bleibt da die Liebe? Ich sagte: Uli, das geht nicht: das Thema ein Affront. Er: Das muss sein. Also �berlegte und feilte ich an dem Thema, damit das Unausprechliche und Anst��ige wegger�umt wird. Schlie�lich sagte ich mir: Alter Mann, unbekannt, falsches Thema. Kommt doch keiner. Also – gleichg�ltig. Dann lese ich: Saal mit 500 Pl�tzen. – Na, da werde ich einsam sein. Der Saal war voll bis auf den letzten Platz. Anschlie�end eine Reihe Fragender.
d) Vor drei Tagen las ich eine Semesterarbeit, die folgen-derma�en begann: „Beim Durchlesen des Buches Jeremias st�ubte sich anfangs alles in mir. Es schien mir st�ndig um Gericht, Strafe, Vergeltung zu gehen. Ich fragte mich, ob Gott wirklich so ein rachel�sterner Gott sei, der nur darauf pocht, dass alle seine Bedingungen erf�llt werden. Dass passte gar nicht in das Verst�ndnis, das ich mir von Gott machte. Anfangs nahmen mich diese Gedanken so ein, dass es mir schwer fiel, aus dem, was ich in Jeremia las, einen Gewinn oder eine Erkenntnis zu ziehen.“ Soweit. Nebenbei er �nderte die Meinung im Verlauf der Lekt�re und am Schluss stand sogar eine gute exegetische Ar-beit. Ich wei�, dass ich jetzt einige Studenten f�r den n�chsten Jeremiakurs verloren habe. Doch frage mich sogar angesichts der von Katharina Rempel vorgestern ausgelegten Einladung zu dem Seminar: „15 Bibel�bersetzungen in 10 Jahren – brauchen wir das?“ ob man nicht eine 16. hinzuf�gen sollte: „Die zornfreie Bibel.“ Das k�nnte ein Verkaufsschlager werden. Nur nebenbei, so wollte es schon Markion von Sinope um 165 n.Chr. und die DC im Dritten Reich. So will es die liberale Theologie seit der Aufkl�rung. Aber werden wir damit den Zorn Gottes los? In Thessalonich wurden die Menschen Christen, um dem „kommenden Zorn Gottes zu entrinnen“, und bei der Wiederkunft Jesu versuchen sich die Menschen zu verbergen, vor dem „Zorn des Lammes“. Das Lamm ist anscheinend kein so zahmes Kuschel- oder Streicheltierlein, wie man sie im Kinderzoo findet. Doch was soll das Gerede? – Worum geht es denn beim Zorn Gottes?
Lassen Sie mich zun�chst feststellen: Wir k�nnen uns nicht einen Gott schaffen, wie er uns gef�llt. Das tat Aaron nach dem Auszug aus �gypten und es geschieht fortw�hrend. Und wir k�nnen nicht den Zorn Gottes mit dem unsrigen vergleichen. Unser Zorn ist der Abgrund der Unbeherrschtheit, wo wir nicht wissen, was wir tun. Das gilt nicht nur f�r M�nner; kein geringerer als F. Schiller spricht davon: „Da werden Weiber zu Hy�nen“. Ich musste das noch in der Schule lernen, heute wei� man das so. Nein, Gottes Zorn ist nicht mit dem der Menschen zu vergleichen. Menschenzorn f�hrt zum B�sen und macht den Menschen kaputt. Gottes Zorn ist das Nein gegen alles B�se und gegen alles, was Menschen kaputt macht.
Wir emp�ren uns gegen Abtreibung, Kindersch�ndung, V�lkermord, Bestechungsskandale, Massenvergewaltigungen. Gottes Zorn ist sein Nein gegen alles Unrecht und B�se, das den Menschen verachtet und kaputt macht. Das ist Gottes Zorn, sein Nein zur S�nde, weil die S�nde den Menschen kaputt macht. Deshalb ist der Zorn Gottes nicht auf das Alte Testament beschr�nkt. Im NT wird am h�ufigsten davon im R�merbrief gesprochen, wo uns doch das Wort der Rechtfertigung gesagt wird. Und das Menschen verachtende Unrecht hat kein Ende. Ich erinnere an die Hinrichtung von 24 Mill. Menschen unter Stalin in den S�uberungsktionen der 30er Jahre, um den Sowjetmenschen zu schaffen, an die 14 Mill. unter Mao, an die 6 Mill. Juden unter Hitler, an die 1,5 Mill. unter Pot Pol, an r�cksichtslose Vertreibungen usw. Deshalb jubelt in den Psalmen die ganze Sch�pfung �ber Gottes Ge-richt. Wir wollen Gerechtigkeit. Gott schafft sie durch sein Richten, vorl�ufig und in dieser Welt noch gebrochen, aber einst vollkommen. Wer diesen richtenden Gott nicht will, der muss das B�se, das, was Mensch und Sch�pfung ruiniert wol-len. So steht hinter Gottes Zorn �ber das B�se und sein Richten in der Geschichte nicht Gottes Grausamkeit, sondern seine Liebe die diese Welt unter keinen Umst�nden dem B�sen �berlassen will. Ja, der Student der die Seminararbeit schrieb, hatte recht: Der Zorn Gottes ist schrecklich. Schrecklicher w�re es, wenn Gott alles B�se in dieser Welt ab nicken w�rde und sie dem B�sen �berlie�e. Dann w�re er der B�se Gott! N.T. Wright schreibt in seinem Buch: Surprised by Hope, dem Sinn nach, wer den Zorn Gottes nicht will, der will die Ewigkeit des B�sen und verzichtet auf Gottes neue Welt.
Wenn Gottes Zorn so �ber dieser Welt liegt, gibt es einen Ausweg. Nein – kein Mensch h�tte den wegschaffen k�nnen – das konnte nur Gott. Und er tat es. Dazu musste er Mensch werden – und er tat es. Dazu musste er einen Leib annehmen – und er tat es. Dazu musste er die S�nde die S�nde der ganzen Welt und meine S�nde auf sich nehmen, und er tat es. Wenn wir fragen, wo der Ort ist, wo die gesamte Bosheit der Welt sich in einer Person findet, dann nicht Hitler, nicht Stalin, nicht Mao, nicht Napoleon, nicht Komeini usw.. Das ist Jesus, dort auf Golgatha. Ludwig Hofacker, der nach nur zweij�hriger Wirksamkeit in Rielingshausen drei�igj�hrig starb, sagte:
„Sieh deinen B�rgen in Gethsemane, wie er den ganzen Zorn der in den Staub getretenen Herrlichkeit Gottes auf seinen heiligen R�cken nimmt. Sieh, wie er sich stellvertretend f�r dich vor dem Angesicht des Vaters kr�mmen muss. Und siehe, er h�ngt am Kreuz in den brennendsten Schmerzen, blutend, verschmachtend, sterbend, den Zorn Gottes tragend. Das ist f�r deine Schuld. Hier ist das Meer der Erbarmung. Hier ist der Zorn Gottes gestillt.“ - - -So eine Erl�sung will ich nicht, wozu das ganze Theater?
Ich gebe noch eine andere Beobachtung weiter. Wer aufmerksam Gottesdienste und Predigten in den letzten Jah-ren erlebte, konnte beobachten, dass der Name Jesu immer seltener wurde. Ja, von Gott spricht man. Neulich hie� es in einem Leserbrief im DPfB: „Es gottet nur so in den Gottesdiensten, aber von Jesus ist nichts mehr zu h�ren.“ „Gott ja – aber warum Jesus?“ Hier besteht ein Zusammenhang: Wo man vom Zorn und Gericht Gottes nichts mehr wissen will, da braucht man auch Jesus nicht mehr. Er, Jesus, errettet von dem kommenden Zorn. Dann wird auch alles andere wichti-ger als das Evangelium von Jesus. Auch in den Liedern ist der Name Jesus verschwunden. Man sang einst: Jesus Name nie verklinget. Jesus meine Freude. Jesus soll die Losung sein. Sind sie verstummt? Und doch liegt in diesem Namen die Verhei�ung. Die Apostel wollten sich nicht verbieten lassen, in diesem Namen zu reden. In diesem Namen sollen sich einst alle Knie beugen. Dieser Name soll bis an das Ende der Erde verk�ndigt werden. Und um dieses Namens willen vergossen die M�rtyrer aller Zeiten ihr Blut.
Die Sprecher in Jes 12 sind Leute, die dem Zorn Gottes ausgeliefert waren. Nur Gott konnte und nur Gott hat sie ge-rettet. Deshalb jubeln sie jetzt und singen: Danket dem HERRN, ruft aus seinen Namen! Macht kund unter den V�lkern sein Tun. Verk�ndigt wie sein Name so gro� ist. Das treibt sie zur Mission. Paulus 2Kor 5,11: „Weil wir wissen, dass der Herr zu f�rchten ist, suchen wir Menschen zu gewinnen. . . . Denn die Liebe Christi dr�ngt uns . . . “.
Wir haben die Wahl. Wir k�nnen den Zorn Gottes ernst nehmen – and we better do so. Dann m�ssten wir verzwei-feln m�ssen, wenn wir uns nicht an Jesus klammern k�nnen. Jesus wird dann auch im Zentrum unseres Lebens und Auftra-ges stehen. Oder wir k�nnen vom Zorn Gottes schweigen, ihn todschweigen, eine zornfreie Bibel herausgeben – doch konsequenterweise m�sste das auch eine jesusfreie Bibel sein, denn er kam um der einen Aufgabe willen: dass er uns v or dem kommenden Zorn errettet. Weil wir um den „kommenden Zorn Gottes“ wissen, deshalb k�nnen wir nicht von Jesus schweigen, sondern er ist uns der Wichtigste.
Dr. Helmuth Egelkraut
�